Projektbeschreibung

zum Projekt "Migrationssensible und rassismuskritische Kompetenz in der Jugendsozialarbeit"

Deutschland ist zur Migrationsgesellschaft geworden. Dies zeigt sich nicht nur angesichts der steigenden Zuwanderungs- und Flüchtlingszahlen. Die gesellschaftliche, soziale und individuelle Wirklichkeit Deutschlands wird grundlegend von Migrationsphänomenen geformt. Dieser gesellschaftliche Wandel ist jedoch bislang nicht reflexiv erfasst worden und im Bewusstsein verankert. Parallel ist eine starke Zunahme polarisierender Einstellungen aufgrund der Ereignisse an Sylvester in Köln festzustellen. Auch die Abwertung von Asylbewerber/innen, Muslimen und Sinti und Roma steigt.

Nach wie vor wird in Deutschland Rassismus meistens im Zusammenhang mit physischer Gewalt und rechtsextremen Übergriffen thematisiert. Daher verwehren sich viele hierzulande einer kritischen und selbstreflektierten Auseinandersetzung mit dem alltäglichen Rassismus. Rassistische Haltung ist nicht nur durch den Glauben an eine biologistische Konstruktion von »Rasse« geprägt. Häufig werden ersatzweise auch Kategorien wie »Kultur«, »Ethnie« u.ä. herangezogen und hierdurch pauschal ausgrenzende, reduzierende und hierarchisierende Aussagen zu treffen. Kulturelle Differenzen, Lebensweisen und Traditionen werden nicht nur als unveränderlich betrachtet, sie werden auch im Vergleich mit der eigenen Gruppe als rückwärtsgewandt, rückständig, inhuman, minderwertig bis zu bedrohlich eingestuft. In der Abgrenzung wird somit nicht nur das Andere, sondern auch das Eigene konstruiert.

In vielen Fällen findet Diskriminierung unbewusst und unbeabsichtigt statt. Diese Ideologie wird u.a. in den Medien, aber auch in der Wissenschaft und Bildung reproduziert und schafft somit rassistische Realitäten. Auch in der Sozialen Arbeit wird Migration meist keineswegs als gesellschaftliche Normalität, sondern als Problem betrachtet. In der Konsequenz werden als Reaktion auf gesellschaftliche Veränderungen meist einseitige Integrationsmaßnahmen propagiert, die dem Postulat von Fördern und Fordern entsprechen. Rassismus manifestiert sich nicht nur auf interindividueller Ebene sondern auch auf institutioneller oder struktureller Ebene. Für die Soziale Arbeit hat das beispielsweise zur Folge, dass nicht alle sozial und (aufenthalts-)rechtlich definierten Gruppen in der Migrationsgesellschaft die gleiche professionelle Unterstützung und Begleitung bekommen. Dies zeigt sich unter anderem in den Arbeitskontexten, in denen Sozialarbeitende mit Flüchtlingen „1. Klasse“ (Syrien, Iran, Irak, Eritrea) und „2. Klasse“ arbeiten. Je nach Nationalität bzw. Herkunft stehen den Angekommenen unterschiedliche Förderung zur beruflichen, sprachlichen und sozialen Integration zur Verfügung, während die anderen Gruppen teilweise unter ständiger Abschiebungsangst, Sanktionen und größtenteils Ausschluss von allen Angeboten leiden müssen. Diese Praxis ist weder den Klient_innen begreifbar zu machen, noch bleibt sie ohne Wirkung für die Fachkräfte.

Die Normalität des Rassismus macht sich im Alltag der Sozialen Arbeit aber auch durch Vorstellungen von „Integration“ oder kulturalisierenden Erklärungsansätzen und Zielgruppenbeschreibungen ebenso deutlich wie auf der strukturellen Ebene in Einstellungsverfahren oder in Aufgabenverteilungen innerhalb von Teams. Interkulturelle Pädagogik und Trainings sind mittlerweile in vielen Einrichtungen der Jugendsozialarbeit relativ gängig. Doch sie sind nicht wirklich hilfreich für eine Strategie gegen Rassismus, denn interkulturelle Konzepte sind im Kern eine Pädagogik der kulturellen Differenz: „Aus der Perspektive der pädagogisch Handelnden werden Probleme und Erfahrungen thematisiert, die sich oft um den „richtigen“ Umgang mit den „Anderen“ drehen. Dabei bleibt aber oft die Frage ausgespart, wie und wodurch „die Anderen“ zu anderen werden und wie bzw. weshalb und mit welchen Folgen Soziale Arbeit und Pädagogik und die darin Handelnden an diesem Prozess des Hervorbringens der Anderen beteiligt sind.“

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