Interview mit Leroy Beutler

Ehemalige

Ich heiße Leroy Beutler, bin 26 Jahre alt und wohne in Köln. Mit 17 Jahren kam ich ins Jugendwohnheim Kolpinghaus Köln-Mülheim und wohnte ca. 2,5 Jahre lang dort. Damals lebte meine Mutter in Trennung, erkrankte an Lungenkrebs und konnte sich nicht mehr intensiv um mich kümmern. Ich war auf mich alleine gestellt. Meine schulische Situation war bescheiden. Ich erzielte auf der Sonderschule keinen Abschluss und stand mit Nichts da. Aufgrund dieser Situation setzte meine Mutter mich vor die Tür. Das Jugendamt nahm mich in Obhut und ich kam für eine gewisse Zeit in die Jugendschutzstelle. Anschließend konnte ich in das Kolpinghaus ziehen.

Für mich war damals die größte Herausforderung, in den Alltag zurückzufinden. Es war schwierig, einem geregelten Tagesablauf nachzugehen - das heißt, eine Maßnahme zu besuchen und mich mit meinen Erfahrungen, mit denen ich aufgewachsenen war, auseinanderzusetzen. Schwierig war das Zusammenleben mit über 40 Jugendlichen. Es gab desöfteren Streit, Meinungsverschiedenheiten und Konflikte, die nur schwer zu lösen waren, wobei das pädagogische Personal stets bemüht war, gemeinsam mit den betroffenen Jugendlichen die Konflikte zu lösen. Daneben hatte ich die üblichen Schwierigkeiten, die man beim Erwachsenwerden hat. Diese Komponenten führten manchmal zu inneren Anspannungen und Frustration.

Ich habe die herzliche, freundliche und respektvolle Atmosphäre seitens der Erzieher*innen im Jugendwohnheim sehr geschätzt. Sie waren mitfühlend, zeigten mir gegenüber Wertschätzung und waren dabei aber auch authentisch. Sie hatten immer ein offenes Ohr, wenn ich Rat und Hilfe suchte und halfen mir so, wie sie konnten. Sie stärkten mich darin, meine Identität zu finden, wodurch ich z.B. heute eine starke und selbstbewusste Person bin und weiß, was ich möchte. Durch das Jugendwohnheim bin ich erwachsener, selbstbewusster, zielstrebiger und engagierter geworden. Ich verdanke dem Erzieherteam das, was ich aus mir machen konnte. Am meisten haben mich dabei die Erzieher*innen motiviert. Sie stärkten mich in meiner psychischen Situation und verhalfen mir zurück ins Leben, so dass ich eine Perspektive fand, auf dieser ich aufbauen konnte. Wenn ich mich überschätzt habe, wurde ich seitens der Erzieher*innen gebremst und auf den Boden der Tatsachen geholt. Sie haben mich auch dabei unterstützt, meine Ziele zu erreichen: dass ich meinen Schulabschluss erreiche und selbstständig werde. Sie haben mich in allen Bedürfnissen, Wünschen und Herausforderungen unterstützt und standen mir zur Seite. Meine Mutter hat mir damals nicht helfen können. Sie glaubte nicht daran, dass ich meinen Hauptschulabschluss nachholen könne. Bis zu dem Tag, als ich meinen Hauptschulabschluss bestand und mir das Ziel, die Fachoberschulreife nachzuholen, anstrebte und ebenfalls bestand. Die Erzieher*innen unterstützten mich auch, Kontakte zu Freunden außerhalb aufrecht zu erhalten und wieder eine Beziehung zu meiner Mutter aufzubauen.

Mein Leben hat sich insoweit positiv entwickelt, dass ich meine Ziele stets vor Augen halte, sie verfolge und mein Bestes gebe. Ich konnte mir durch das Jugendwohnen eine Perspektive schaffen, mit der ich meine Zukunft zum Positiven gestalte. Wenn ich mir vorstelle, dass ich nicht ins Jugendwohnheim gezogen wäre, sähe die Situation definitiv anders aus. Ich glaube, dass ich ohne die Hilfe des Jugendwohnheimes nichts erreicht hätte, das heißt: schulische und berufliche Laufbahn. Vermutlich hätte ich immer noch einen Abschluss der Förderschule und keine Perspektiven im Leben.

Nach meinem Auszug aus dem Jugendwohnheim habe ich die Abendrealschule Köln zum Erwerb der Fachoberschulreife besucht und schaffte auch die Prüfung. Ursprünglich wollte ich danach eine Ausbildung beim Arbeitsamt machen, wobei ich mich kurzer Hand anders entschied. Ich absolvierte ein Freiwilliges Soziales Jahr an einer Förderschule und meldete mich für die Ausbildung zum Erzieher mit Abitur an. Letztes Jahr bestand ich mein Abitur und den ersten Teil der Berufsabschlussprüfung zum Erzieher. Mein Anerkennungsjahr, das noch zur Ausbildung gehört, absolviere ich zurzeit im Jugendwohnheim Kolpinghaus Köln-Mülheim und bin froh, dass ich diese tolle Stelle bekam.

Mein Plan ist, dass ich weiter als Erzieher in einer stationären Einrichtung im Bereich Jugendsozialarbeit arbeiten werde. Meine Stelle im Anerkennungsjahr ist bis zum 31.08. befristet. Aktuell bewerbe ich mich für freie Erzieherstellen in Jugendwohnheimen, wobei ich gerne im Jugendwohnheim Kolpinghaus bleiben würde. Das wäre mein größter Wunsch. Alternativ könnte ich mir ein duales Studium beim Finanzamt im gehobenen Dienst mit Verbeamtung auf Lebenszeit vorstellen oder sogar ein Studium in Sozialer Arbeit. Ich halte mir die Möglichkeiten offen und bin sicher, dass ich meine Wünsche und Ziele erreichen werde, wenn ich weiterhin daran arbeite.

(Köln, 2018)

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