2009: Aussagen der Jugendlichen

Foto: Franziska Schulz

Henning

Henning nahm am Werkstattjahr im Förderband Olpe teil und absolviert gerade eine Ausbildung.

Momentan bin ich im 2. Lehrjahr zum Groß- und Außenhandels- kaufmann. Obwohl ich die Hauptschule ohne Abschluss verlassen habe, konnte ich eine Lehre als KfZ-Mechaniker beginnen, die ich aber nach eineinhalb Jahren wegen zu großer schulischer Probleme abgebrochen habe. Danach habe ich fünf Jahre als Hilfsarbeiter gejobbt. Obwohl mir klar war, dass eine Ausbildung gut wäre, habe ich das immer verdängt. Als ich arbeitslos wurde, habe ich das Förderband angerufen, wo ich in das Werkstattjahr aufgenommen wurde. Darüber habe ich auch meinen jetzigen Ausbildungsplatz bekommen. Viel hat sich bei mir verändert: Die kleinen Erfolgserlebnisse haben mir mehr Vertrauen gegeben und durch die Verantwortung, die mir übertragen wurde, bin ich selbstbewusster, zuverlässiger und lockerer geworden. Hier habe ich das Gefühl, dass man mich braucht.

Foto: Franziska Schulz

Jennifer

Jennifer absolviert eine Ausbildung zur Friseurin bei der Duisburger Werkkiste

Bis ich 18 Jahre war, habe ich im Heim und danach in drei Pflegefamilien gelebt, aber irgendetwas hat immer nicht geklappt. Dann bin ich mit meinem damaligen Freund abgehauen und war ca. ein Jahr auf der Straße, bis uns seine Eltern aufgenommen haben. Das ging aber auch nicht lange gut. Ich habe dann eine Ausbildung als Familienpflegerin begonnen, die ich nach einem Jahr abgebrochen habe. Irgendwann nahmen dann meine leiblichen Eltern wieder Kontakt zu mir auf und etwas später bin ich zu ihnen gezogen, bis es wieder Krach gab. Nirgendwo war ich so richtig zu Hause. Nach einer Job-Starter-Maßnahme konnte ich hier auch eine Ausbildung zur Friseurin machen, in der ich momentan im 2. Lehrjahr bin. Ich bin sehr froh, dass ich diesen großen Sprung geschafft habe, dass ich die Drogen und den Alkohol hinter mir gelassen habe, mein aggressive Verhalten ändern konnte, ich mittlerweile auch Hilfe annehmen kann, wenn ich nicht mehr weiterkomme und vor allem, dass ich die Chance bekommen habe, die Ausbildung hier zu machen.

Foto: Franziska Schulz

Jamil

Jamil lebt im Jugendwohnheim Bernhard-Letterhaus Köln und absolviert eine Ausbildung als Fachkraft für das Gastgewerbe.

Ich lebe seit vier Jahren hier im Jugendwohnheim. Als Flüchtling aus Afghanistan habe ich einen Asylantrag gestellt, der aber drei Mal abgelehnt wurde. Jetzt habe ich eine Aufenthaltserlaubnis für zwei Jahre bekommen, in der ich meine Ausbildung als Fachkraft für das Gastgewerbe machen kann. Davor habe in der Berufsschule meinen Hauptschulabschluss gemacht, weil ich für die „normale“ Schule zu alt war. Hier im Jugendwohnheim finde ich immer jemanden, wenn ich Probleme habe. Meine Nachhilfelehrerin hat mir auch sehr geholfen, Deutsch zu lernen. Ich bin hier sehr viel selbstständiger und selbstbewusster geworden. Wie es nach den zwei Jahren weitergehen soll, weiß ich noch nicht.

Foto: Franziska Schulz

Mascha

Mascha ist im 3. Ausbildungsjahr zur Friseurin und wurde nach ihrer Ankunft in Deutschland durch den Jugendmigrationsdienst Düren-Heinsberg begleitet.

Als ich vor fünf Jahren aus Russland hierher nach Deutschland gekommen bin, hatte ich große Schwierigkeiten in der Schule und der deutschen Sprache. Ein Jahr lang habe ich in der letzten Reihe gesessen und Musik gehört. Nachdem ich die 8. Klasse wiederholen musste, dachte ich, dass es so nicht weitergehen kann. Überall, wo ich mich beworben habe, haben sie meine Herkunft gesehen und bei den Bewerbungsgesprächen festgestellt, dass mein Deutsch sehr schlecht war. Daher habe ich nur Absagen erhalten. Ich habe dann einfach alle Friseure aus den Gelben Seiten angerufen und gefragt, ob sie eine Auszubildende bräuchten. Eigentlich wollte meine Chefin keine Auszubildende mehr einstellen, aber sie hat gesehen, wie sehr ich mich in dem Praktikum anstrenge, was ich bei ihr machen konnte. Nun bin ich im 3. Lehrjahr und mir gefällt der Beruf ganz gut. Ich glaube, ich habe es geschafft, weil ich eine große Motivation habe und etwas aus meinem Leben machen wollte.

Foto: Franziska Schulz

Jimmy

Jimmy absolviert eine Maßnahme als Krankenpflegergehilfe und wohnt im Jugendwohnheim Kolping Köln-Mülheim

Ich wohne hier im Jugendwohnheim seit ca. einem halben Jahr. Weil ich Stress zu Hause mit meiner Mutter hatte, bin ich abgehauen und habe teils auf der Straße, teils bei Freunden gewohnt, bis ich übers Jugendamt hierher vermittelt wurde. Mein Traum war es immer, Fotograf zu werden, aber dort gibt es kaum Chancen. Vor kurzem habe ich dann ein FSJ im Pflegebereich gemacht, was mir gut gefallen hat. Jetzt mache ich gerade eine Maßnahme als Krankenpflegergehilfe und würde auch gerne später im Pflegebereich arbeiten. Gut finde ich hier, dass man viele Menschen und Kulturen kennenlernt, dass man zusammen isst und gemeinsam lebt. Mittlerweile bin ich auch im Heimrat, wo ich Ansprechperson bin, wenn es Schwierigkeiten gibt.

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Jessika

Jessika holt ihren Schulabschluss im Projekt "Arbeiten und Lernen" der Katholischen Jugendwerke in der Stadt Leverkusen e.V. nach.

„Ja, man hat schon oft das Problem, dass die Leute mal blöde gucken, oder von oben nach unten einen angucken. Ich habe mit 16 meine Tochter zur Welt gebracht, musste daher halt die Schule abbrechen. Das hat mich schon ein bisschen aus der Bahn geworfen. Aber meine Mutter, alle, haben gesagt, wir unterstützen Dich, wie packen das zusammen, Du musst das für Dich entscheiden und dann habe ich mich dafür entschieden, das Kind zu kriegen. Ja, und habe mir als Ziel gesetzt, sobald das Kind alt genug ist, machst Du den Schulabschluss nach. „Wenn Kinder Kinder kriegen“, solche Sprüche hab ich auch zu hören bekommen, so ist es nicht. Aber ich denk mir, ich steh’ da drüber. Altenpflegerin möchte ich werden. Das hab ich jetzt schon ein Jahr gemacht, praktikumsmäßig, Ein-Euro-Job-mäßig, und das hat sehr viel Spaß gemacht.

Und meine Mutter hat uns immer beigebracht, egal was passiert, lass’ den Kopf nicht hängen, es gibt immer einen Weg, egal, er mag noch so steil sein, es gibt immer einen Weg, und von daher versuch’ ich mir immer positive Gedanken zu machen und auch positiv selber Energie einzuflößen, dass ich mir sage, ich pack’ das, ich will das packen und ich pack’ das.“

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Fabio

Fabio absolviert eine Ausbildung zum Tischler in den Ausbildungsstätten des Caritasverbands Rheine

Da ich die Schule nur mit einem Abgangszeugnis verlassen habe, klappte es nicht mit meinen Bewerbungen um einen Ausbildungsplatz. Sechs Jahre lang habe ich Aushilfsjobs gemacht und war zum Schluss sogar fest angestellt als Schichtleiter für Verpackungen. Irgendwann habe ich einen Flyer einer Jugendwerkstatt bekommen. Dort war ich wohl so engagiert, dass sie in mir einen Kandidaten für eine Ausbildung sahen. Hier mache ich jetzt seit September eine Ausbildung zum Tischler, die mir sehr gut gefällt. Ich bin sehr stolz darauf, dass ich meinen Job für die Ausbildung aufgegeben habe und die Stelle auch bekommen habe. In der Schule muss ich in jedem Fall noch etwas tun, weil ich das seit sechs Jahre auch nicht mehr gewöhnt bin.

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M.A.

M.A. wohnt im Jugendwohnheim Bernhard-Letterhaus in Köln und absolviert eine Ausbildung zur Krankenschwester

Vor zwei Jahren bin ich über das Jugendamt ins Jugendwohnheim gekommen. Direkt nach meinem Abitur habe ich eine Ausbildung als Krankenschwester in einem katholischen Krankenhaus begonnen. Eigentlich trage ich als Muslima ein Kopftuch, aber in meiner Ausbildung muss ich es ablegen. Mir fällt das wirklich schwer, aber ich hatte keine andere Wahl, da ich nur eine einzige Ausbildungsplatzzusage hatte.

Früher habe ich mich nicht als Kopftuchträgerin gefühlt, aber jetzt merke ich schon die Isolation durch andere, wenn ich es trage. Ich finde es doch eher eine Bereicherung, wenn die Menschen unterschiedlich sind.

Hier im Jugendwohnheim habe ich viele unterschiedliche Jugendliche kennen gelernt, teils mit schwierigen familiären Problemen, aber es war auch immer eine gute Erfahrung, hier Unterstützung zu bekommen. Für die Zukunft wünsche ich mir, Medizin zu studieren.

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Rikon

Rikon befindet sich im zweiten Ausbildungsjahr zum Informatikkaufmann und wird über das Jugendbüro Kolping Köln-Mülheim begleitet

Vor sechs Jahren bin ich aus dem Irak hier nach Deutschland gekommen, weil meine Familie dort politische Probleme hat. Hier habe ich dann die Internationale Förderklasse besucht und danach innerhalb von drei Jahren mein Fachabitur bemacht. Ich hatte drei Angebote von Ausbildungsstellen im Einzelhandel und als Flugbegleiter, aber weil ich keine unbefristete Aufenthaltserlaubnis besaß, haben sich diese Chancen zerschlagen. Studieren konnte ich auch nicht, weil ich kein Bafög beantragen konnte. Zum Glück habe ich jetzt die Anerkennung als Asylbewerber bekommen. Wenn ich Probleme hatte, konnte ich die Mitarbeiter im Jugenbüro immer fragen. Am liebsten würde ich Bauingenieurwesen studieren. Ich hatte bereits auch schon die Zulassung zur Fachhochschule, aber ich habe noch nicht das 8-wöchige Praktikum, was man benötigt, um sich einschreiben zu können. Aber weder die Arbeitsagentur noch Bafög finanzieren dieses Praktikum.

Foto: Franziska Schulz

Kevin

Kevin hat seine Ausbildung zum Gärter begonnen und lebt im Jugendwohnheim St. Engelbert Leverkusen

Ich wohne hier seit ca. drei Monaten und bin gerade im 1. Lehrjahr meiner Ausbildung zum Gärtner. In einer BVB-Maßnahme habe ich herausgefunden, dass Gärtner das Beste für mich ist. Ins Jugendwohnheim bin ich gekommen, weil ich viele Probleme mit meinen Eltern hatte. Obwohl ich ruhig war und für sie eingekauft habe, war ich so etwas wie das schwarze Schaf in der Familie. Meine Eltern fanden es auch nicht gut, dass ich meine Zeit so viel mit Boxen und Kick-Boxen verbracht habe. Fünf mal pro Woche gehe ich jetzt abends ins Training und trainiere auch eine Kindergruppe. Hier habe ich gelernt, regelmäßig zur Schule zu gehen, mit Geld umzugehen, mich um mein Essen und ums Aufräumen zu kümmern. Für meine Zukunft wünsche ich mir, dass ich die Ausbildung zu Ende machen und dort auch weiterarbeiten kann.

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